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- 27. November 2023
„Meine Kindheit war eigentlich gut. Es gab nichts Besonderes.“
Wie unser Bindungsstil unsere Beziehungen beeinflusst.
Wenn Therapeuten in der Therapie nach Kindheitserfahrungen fragen, werden Sie oft ein wenig belächelt und in eine Schublade mit Sigmund Freud und seiner Psychoanalyse gesteckt. Es ist tatsächlich die Frage, wie hilfreich es ist, mehrere Stunden pro Woche über viele Jahre seine Kindheit zu beleuchten. Dennoch interessiert mich als Therapeutin, welche Erfahrungen jemand in seinen frühen Lebensjahren gemacht hat. Denn diese Bindungserfahrungen haben einen großen Einfluß darauf, wie wir unsere Beziehungen als Erwachsene gestalten.
Welche Arten von Bindungsstilen gibt es eigentlich?
Ganz grundsätzlich gibt es 4 Bindungsstile, die ich im Folgenden nur sehr rudimentär umreißen möchte. Man kann
- Sicher gebunden
- Ängstlich gebunden
- Vermeidend gebunden oder
- Desorganisiert gebunden sein
Sicher gebundene Menschen (ca. 50%) haben keine Angst vor Intimität, sie wissen um ihren Wert, kennen ihre Bedürfnisse und scheuen sich nicht, um Hilfe zu bitten, wenn ihre Ressourcen nicht ausreichen, um ein Problem zu lösen. Sie haben in der Kindheit „good enough“ parents gehabt, also Eltern, die überwiegend auf die Bedürfnisse ihrer Kinder eingehen konnten, so dass das Kind sicher sein konnte gehört zu werden. Wenn diese Eltern Fehler gemacht haben – alle Eltern machen dauernd Fehler – konnten sie sich bei ihren Kindern entschuldigen und es wieder gut machen. Kinder solcher Eltern suchen nach einer Partnerin, die gut genug ist, sie wissen, dass es die perfekte Partnerin nicht gibt.
Ängstlich gebundene Menschen (ca. 20%) haben als Kinder erlebt, dass ihre Bedürfnisse oftmals nicht gehört wurden. Gelegentlich ist man auf ihre Bedürfnisse und Gefühle eingegangen, aber nicht dauerhaft und konsistent. Diese Kinder haben nicht gelernt ihre Gefühle zu regulieren, es war ja niemand da, der sie dabei unterstützt hätte. Sie haben große Angst entwickelt, verlassen zu werden. Sie hängen an ihren Bezugspersonen, obwohl diese ihre Bedürfnisse nicht gut wahrnehmen. Als Erwachsene trennen sie sich eher nicht so schnell aus Beziehungen, auch wenn diese von außen betrachtet eher toxisch sind, weil die Angst vor Verlassen-sein sehr stark ihr Denken prägt. Sie glauben, sie finden niemand anderen da draußen und deshalb halten sie eine Menge aus.
Vermeidend gebundene Menschen(ca. 25%) hatten Eltern, die es so gut wie niemals „richtig“ gemacht haben. Es gab so gut wie keinen Match aus den Bedürfnissen des Kindes und den Angeboten, die die Eltern gemacht haben. Es gab immer eine Armlänge zwischen Kind und Eltern. Vermeidend gebundene Menschen fürchten nichts mehr als Intimität. Sie haben große Angst, was passiert, wenn sie jemandem ihre Bedürfnisse und Emotionen anvertrauen. Verständlicherweise. Denn sie haben so gut wie nie erlebt, dass jemand adäquat auf sie eingeht. Diese Kinder sind schon früh darauf ausgerichtet unabhängig und selbstständig zu sein. Sie genügen sich selbst, schotten sich ab, bauen „Mauern“ um sich herum auf, um nicht enttäuscht zu werden. Menschen mit einem solchen Bindungsstil finden sich gehäuft in Dating-Portalen, weil sie kein Problem damit haben, wieder alleine zu sein, wenn es nicht „läuft“. Sie scheuen das Alleinsein nicht, sie haben sich früh autark eingerichtet, weil alles andere nicht funktioniert hat. Sie haben den „Gewinn“ von Interdependenz und Bindung nie erfahren.
Desorganisiert gebundene Menschen (ca. 2-3%) sind in einem sehr chaotischen Umfeld aufgewachsen, es gab so gut wie keine Vorhersage über das Verhalten der Eltern. Diese Kinder sind in „Terror“ aufgewachsen, es gab sexuellen Missbrauch oder andere physische Gewalt – und das von Menschen, bei denen wir als Kinder eigentlich Schutz suchen. Diese Kinder waren in permanenter Unsicherheit, wie die Bezugsperson sich zeigen wird, als „Monster“ oder nett. Es herrschte völlige Unberechenbarkeit für das Kind.
Mit dieser Grundlage an Bindungserfahrungen gehen wir in unser Leben und auf Grundlage dieser Schablonen gestalten wir unsere Beziehungen.
Trauma-Bonding
Es gibt Partner, die sich immer wieder in für sie unguten Beziehungen wiederfinden. Diese Beziehungen sind oft von einer hohen Intensität geprägt. Wir sprechen von Trauma-Bonding, wenn die Verbindung zwischen zwei Menschen vorrangig aufgrund von tief sitzender Angst, krassem Intensitätserleben und sexuellen Gefühlen entsteht. Die Verbindung basiert nicht auf Intimität, Wahrheit und Sicherheit. Häufig wird diese hohe Intensität, die sich in diesen Beziehungen einstellt, mit Intimität verwechselt. Was aber eigentlich passiert ist, dass die andere Person in mir eine Angst hochbringt, die ich aus meiner Kindheit kenne, die in einer unsicheren Bindung begründet liegt. Vorrangig treffen hier Menschen mit einem ängstlichen Bindungsstil auf Menschen mit einem vermeidenden Bindungsstil. Beide befinden sich miteinander in einer Endlosschleife aus immer wiederkehrenden gleichen Szenen, die sich in der Beziehung abspielen. Diese wiederkehrenden Elemente sorgen auch für das klassische On-Off der Beziehung. Beide sind gefangen in ihren Bindungsverletzungen und können nicht ohne weiteres aussteigen.
Wenn Sie auch das Gefühl haben, dass Sie sich in einer Dauerschleife mit Ihrer Beziehung befinden und die krassen Höhen und Tiefen Sie mittlerweile mehr erschöpfen als Ihnen gut tun, können Sie sich gerne an mich wenden und wir schauen uns ihr Beziehungsverhalten in Ruhe an. Die gute Nachricht ist, Bindungsverhalten kann man verändern. Sie sind nicht festgelegt auf das Schema, was Sie als Kind zwangsläufig erlernt haben.
Schreiben Sie mir an
kontakt@paartherapie-badnauheim.de, wenn Sie Ihr Bindungsverhalten unter die Lupe nehmen wollen.
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